made with antville Die Gedanken der Marie K.: Prolog
Dienstag, 29. August 2006
Prolog
Ihr Vater war ein Philanthrop. Er mochte die Menschen, weil sie ihn zum Lachen brachten. Kaum eine Person über die er nicht mehr oder weniger offensichtlich lächeln konnte – die Religiösen, die die dachten nicht glauben zu müssen, die Süchtigen, die Befreiten, die Intellektuellen, die Dummen, die Reichen, die Bettler, Kranke, Heiler, Kämpfer, die Resignierten - die Liste war lang. Besonders weil dieser Mensch in seinem Leben viel gesehen hatte, viel herum gekommen war und das Talent hatte das Tier Homo sapiens sapiens bis in seine letzten Einzelheiten auseinander zu nehmen und zu analysieren. Er hatte so viel Meinung über andere, dass niemand die Zeit fand ihn nach seiner Ansicht über sich selbst zu fragen. Vielleicht wurde ihm diese Frage innerhalb von 72 Jahren auch deswegen nicht gestellt, weil keiner eine Antwort bekommen zu können dachte. Hätte man ihm diese Frage gestellt, was hätte er geantwortet?
Seine Frau war ein friedliches Wesen. Sie interessierte sich nicht für Angelegenheiten die nicht ihre waren, philosophierte nicht über den Alltag, nahm hin was kam, und weckte trotz allem nie den Eindruck von Gleichgültigkeit, sondern eher von einem immensen Maß an Humanität welche sie jedem entgegenbrachte. Auch wenn wenige den Sinn dieser Konstellation verstanden, so war offensichtlich dass diese Frau ihren Mann über alles liebte, und er sie.
Aus ihrer Ehe gingen 2 Töchter hervor. Die Montagsschwestern. Lena und Angela Montag, von einander 5 Jahre entfernt, Angela war die ältere. Ihr Leben begann mit einer einfachen Geburt, setzte sich einfach fort und blieb im Großen und Ganzen auch eins – einfach. Damit ist nicht gemeint, dass sie ein langweiliges Leben hatte oder gar eine langweilige Person war. Sie zog sogar eher die Aufregung an, und solche die diese erregten, nur war sie selbst nie der Typ der für Unruhe sorgte. Stets stand das Glück, oder mehr der Erfolg, auf ihrer Seite für den sie bereit war ehrgeizig zu arbeiten und zu verstehen dass von nichts nun eben einmal auch nichts kam. Ihre Freunde sahen das auch ähnlich, aber lebten nicht unbedingt im gleichen Eifer nach persönlicher Entwicklung wie Angela es tat. Corinna, liebevoll Coco genannt, war eine dieser einprägsamen Personen, und ihre älteste Freundin. Schon im Kindergarten fiel sie durch ihr eigenwilliges Verhalten auf, die Grundschule mochte sie nicht und von den Ausschweifungen auf Gymnasium, dann Realschule und letztendlich Hauptschule schwieg man sich lieber aus. Angela war ihrem Vater ähnlich, und betrieb exzessive Beobachtung ihrer Mitmenschen. Doch nicht einmal ein Lächeln überzog ihre Mimik, wenn sie ihre Analysen fertig stellte, sondern ein wissendes Schweigen. Ein Schweigen das sie bis zu ihrem Lebensende begleitete und kurze Zeit vor ihrem Ableben in eine fatale Situation brachte.
Lena kam zu aller Überraschen weder nach ihrer Schwester, noch war ihr Charakter vollkommen gegensätzlich. Verkannter Weise machte sie diese Kombination zu einer der Frauen, die nur wenig Platz in den Gedanken und Gedächtnissen ihrer Mitmenschen beanspruchten. Sie war schlichtweg ein Mensch über den man nicht viel nachdachte – jemand der existierte, aber scheinbar nicht viel andere Nutzen hatte, außer man hatte die Hoffnung sie würde irgendwann Kinder kriegen und somit einen minimalen Anteil am Fortbestand ihrer Art tragen. Lediglich Angela und ihr Vater schienen die einzig bekannten Menschen zu sein, die sie im Auge behielten.

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